Rund um den ersten Geburtstag von unserem Kleinkind hatte ich die Schnauze voll vom Stillen. Aber so richtig. Unser Wildling war ruppig, kletterte während des Stillens eigentlich nur auf mir rum, kniff und zerrte an meiner anderen Brustwarze oder pickste mir während des Stillens zielsicher in die Augen. Oder alles auf einmal. Es war so ätzend.

Mein Sohn und ich hatten, nach den üblichen Anfangsschwierigkeiten , eine wundervolle Stillbeziehung mit ganz viel Nähe, Kuscheln und dank Oxytocin kam ich auf meine mehrmalige Dosis Entspannung. Davon war nichts mehr übrig, ich fühlte mich nach dem Stillen als ob ich gerade im Boxring vermöbelt worden wäre..
Zur Krönung riss (ja riss und nicht biss) mir mein kletternder Vampir eine Wunde in eine Brustwarze, die natürlich keine Chance hatte ordentlich zu heilen. Und nein, abpumpen war aus drölfzig Gründen keine Option.
Wenn ihr jetzt das Bild von einer Mama habt, die mit blutender Brustwarze und grün und blau vermöbelt stinksauer ihr Kleinkind anguckt und dabei Rotzblasen heult, dann habt ihr eine ungefähre Vorstellung des damaligen Ist-Zustandes.
Es kam wie es kommen musste: Ich wollte abstillen. UNBEDINGT.
Natürlich hatte ich da vollste Unterstützung von dem Teil meiner Umwelt, die dem Konzept Stillen über die obligatorischen sechs Monate hinaus eh skeptisch gegenüber stehen. Und schließlich ist unser Baby ja nun auch kein Baby mehr sondern ein Kleinkind. Wie sieht denn das aus? Haltet euch bitte fest, die Antwort wird euch überraschen, weil sie so völlig absurd erscheint: Normal.
Es ist normal zu stillen. Die WHO empfiehlt die ersten sechs Monate voll zu stillen und begleitend gerne über das zweite Lebensjahr hinaus. Laut Anthropologen liegt die normale Stillzeit für den Menschen bei 2 bis 7 Jahren. Ehrlich, ich kann mir für mich nicht vorstellen, dass ich ein Schulkind stille. Allerdings hatte ich auch keine Vorstellung ein Kleinkind zu stillen.
WHO
Bis dahin konnte ich unseren Sohn vom Einschlafen nur durch Einschlafstillen begeistern oder Tragen im Tragetuch. Alles andere klappte überhaupt nicht. Mein Mann konnte mit ihm im Kreis laufen, seinen Popo wippen und nach ein paarmal „SchSchSch“ schnarchte unser Kleiner und kurz danach auch der Papa.
Allerdings auch „nur“ tagsüber zum Mittagsschlaf. Einschlafen selber war und ist Chefsache (das bin übrigens ich) und damals noch meine Brust.
Seit ich Mama bin, habe ich ein paar Dinge gelernt. Zum Beispiel, dass wirklich perfekte Eltern nur die ohne Kinder sind oder andere Eltern. Zum Glück auch, dass sich alles, wirklich alles fast von selbst regelt. Und das es immer dann besser wird, wenn der Zeitpunkt soweit ist. Meistens ist er es kurz bevor ich durchdrehe.
Das große Thema Einschlafstillen wuchs in meinem Kopf zu einer großen schwarzen Wolke heran. Es war völlig undenkbar, dass unser Sohn abends einschläft ohne seine/meine/unsere Brust. Der einzige, der absolut sicher war, dass sich alles von selbst regelt, war mein Mann. Mein Mann ist großartig und hat häufig Recht aber in dem Punkt wollte ich Hilfe von außen.
Ich las Ratgeber, googelte, tauschte mich mit meinen Mamafreunden aus und wusste am Ende ziemlich sicher, dass ich kein Training, keine Tränen, kein radikales Abstillen möchte. Mein Kinderarzt, der auch Stillberatung anbietet, brachte schließlich die Wendung.

„Wann schläft er denn?“ „Och so gegen elf ein halbes Stündchen, dann gegen 14.00 Uhr nochmal ein bisschen und gegen 17.00 Uhr nochmal ein halbes Stündchen.“
Das ist zu wenig und zu spät, lautete sein Urteil. Besser wäre es, wenn er einmal lange Mittags schläft. Aha. Und wer sagt es ihm von uns? fragte ich ihn perplex. Nja, ist nicht so ganz einfach, aber das ist der Weg, lautete die unbefriedigende Antwort. So fällt schon zweimal Einschlafstillen weg und der Rest kommt. Schade, dachte ich. Jetzt brauchen wir wohl einen neuen Kinderarzt. Diese Erklärung und der Rat war absolut bescheuert für mich. Ein Tipp wie ich ihn so zum Schlafen bringen kann? Gabs nicht. Dafür mein Kind wachhalten? Bescheuert. Absolut bescheuert.
Nun. Zwei Tage später saß ich wie immer um elf mit unseren Sohn im Arm auf der Couch und VERWEIGERTE IHM DIE BRUST! Jawohl! Und nein, er hat nicht geweint, fand das aber auch nicht toll. Ich sang. Ich sang und bekuschelte unseren Sohn um mein Leben. Der zerquetschte ersatzweise meine Brust, wurde immer müderer und…schlief ein. In meinem Arm. Ohne Einschlafstillen.
So ging das weiter. Aus seinem Mittagsnap (denn nichts mehr war das als ein netter kleiner Powernap, wie ich heute weiß) um 11.00 Uhr wurde 11.15 Uhr, dann 11.30 Uhr und der 14.00 Uhr Schlaf fiel weg. Aus 30 Minuten Mittagsschlaf wurden irgendwann 60 Minuten und jetzt schläft er, mit 17 Monaten, Mittags ca. 2 Stunden ab 12.30 Uhr.
Die Folgen waren fatal. Ich glaube am härtesten traf es den Teil meiner Umwelt der mit großen Augen es mühsam schaffte die Frage zu unterdrücken „Waaaas?! Du stillst etwa IMMER NOCH?!“
Das Thema SOFORT Abstillen hatte sich für mich erledigt. Der Druck war weg, nicht nur, weil mein Brustwarze wieder heilen konnte. Ich hatte einfach wieder mehr Kraft dadurch, dass ich weniger stillte und ich verkrampfte auch nicht mehr beim bloßen dran denken „boh, wann ist es wieder soweit, mein Auftritt im Boxring“.
Ich wuchs mehr rein ins Kleinkindstillen und das unterscheidet sich einfach mal vom Stillen eines Säuglings. Ein Kleinkind ist zappeliger, ruppiger und guckt mit Brustwarze im Mund was hinter ihm passiert. Wenns mir zu bunt wurde, beendete ich das Stillen ohne viel Aufhebens und gut war.
Die nächsten Monate gingen ins Land und irgendwann stellte ich fest, dass ich nur noch zum Einschlafen und morgens im Bett zum Kuscheln stillte. (Ausnahmen wie Krankheit oder doller Kummer beim Kleinen gibts natürlich).
Und ich stellte fest, dass Abstillen nichts ist, was nur mein Sohn macht. Auch ich stille mich ab. Seit 17 Monaten ist meine Brust nicht nur meine Allzweckwaffe bei Kummer, Müdigkeit, harte Tage, Krankheit oder wenn die Zähne kommen. Es ist die exklusive Kuschelzeit und Verbundenheit zwischen meinem Sohn und mir. Das Stillen ist unsere Zeit.

In den letzten Jahren habe ich gelernt, dass unser Kinderwunsch nicht planbar ist. Ich weiß einfach nicht, ob wir das Glück eines zweiten Kindes nochmal haben. Wenns blöd läuft, rückt der Tag an dem ich vielleicht das letzte mal in meinem Leben gestillt habe, immer näher. Tick Tack.
Und offensichtlich ist mein 17 Monate alter Sohn dazu mehr bereit als ich. Eines Abends schlief er in meinem Arm ein, nachdem er deutlich gezeigt hatte, dass er nicht gestillt werden möchte. Das morgendliche Kuscheln bestand darin, dass er „Mama Mama Mama“ plappernd mir ins Auge pickste, zu mir rüberkrabbelte und sich diabolisch lachelnd auf mich warf und raufen wollte. Rauft mal von Null auf Hundert! Morgens fünf Uhr irgendwas!
Das ist jetzt zwei Wochen her. Seitdem wollte er ein paar mal an die Brust. Vielleicht ist unser letztes mal Stillen schon vorbei und ich weiß es noch nicht. Vielleicht ist es morgen soweit. Keine Ahnung.
Fakt ist, er stillt sich selbst ab. Ganz nach Bedarf. Früher als gedacht.
Als die Fotos enstanden, war das Stillen wie zu unseren harmonischsten Stillzeiten. Mein Sohn grinste mich strahlend an, vergaß mir seine Hand ins Gesicht zu donnern, beendete das Stillen mit einem „Maamaa“, drückte mich und lief los zu seiner Gießkanne.
Seitdem trinke ich Salbeitee literweise zum Abstillen. Hoffentlich nicht zum letzten Mal aus dem Grund.
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2 Comments
Das klingt wirklich sehr interessant. Ich bin gespannt wie es ist, wenn es bei mir soweit ist, aber das dauert noch was.
Liebe Grüße
Luisa von https://www.allaboutluisa.com/
und bis dahin, kannst du dir noch die Welt weiter angucken, auch nicht zu verachten! Sei lieb gegrüßt, Anita